Surround-Sound-History

In der heutigen Heimkinowelt dreht sich (fast) alles um eine kleine runde Scheibe - die Digital Versatile Disc. Das damit zusammenhängende Fachgespräch  wird bestimmt von Begriffen wie diskreter Mehrkanalton, Dolby Digital, DTS Extended Surround, Bassmanagement, Dual Layer und vielem mehr - dabei reichen die Anfänge von eindrucksvoller Bild- und Tonwiedergabe schon einige Jahrzehnnte zurück. Diese kleine Zusammenfassung soll wichtige Errungenschaften im Kino und in den eigenen vier Wänden nennen und auf den Stellenwert in der Surround-Sound-Geschichte eingehen.

"Trendsetter" für bahnbrechende Entwicklungen war das Kino. Schon im Jahre 1941 wurde der erste Film in Stereo dort öffentlich Kino gezeigt: Bei Walt Disneys Zeichentrickfilm "Fantasia" kam eine separate 35-Millimeter-Filmrolle mit drei optischen Tonspuren zum Einsatz, der Ton wurde synchron zum Bild abgespielt. Auf breiterer Front wurden dann 1950 die ersten kommerziell erfolgreichen mehrkanaligen Tonfilme für das Kino entwickelt. Weil das Fernsehen, das damals selbstverständlich nur Mono- Tonqualität bieten konnte, sich mehr und mehr als große Konkurrenz für das Kino entpuppte, wollte die Kino-Fraktion durch neue technische Features die Attraktivität der "Vor-Fernsehen-Ära" wiederherstellen. Die Wiedergabe in Stereo und die Einführung neuer Breitwand-Formate sollten die Zugpferde des neuen Kino-Zeitalters werden. Das Kino-Stereo-Format unterschied sich schon von Beginn an vom späteren Zweikanal-Stereo für den "Hausgebrauch" in den eigenen vier Wänden: Kino-Stereo war von Beginn an vierkanalig. Verschiedene Filmformate wie zum Beispiel das berühmte CinemaScope-Format (vierkanalig) oder das Todd-AO-Format (sechskanalig) speicherten den Mehrkanalton auf magnetisierbare Streifen, die auf jeder Kopie des Masters angebracht wurden. Die Kino-Projektoren mussten sich einer Umrüstung unterziehen und mit Tonköpfen, ähnlich denen einen Tonband-Gerätes, ausgestattet werden, um die Magnetspuren der Filme abspielen zu können und den Filmen tonal damit zu neuem, bisher nicht gekannten Glanz zu verhelfen. Um die Zuschauer auch am deutlich verbesserten Klangbild richtig teilhaben zu lassen, wurde auch das übrige Equipment den Bedürfnissen der Stereo-Ära angepasst; und so fanden neue Verstärker und Lautsprecheranlangen Einzug in die Kinos der Welt, um eine akustische Revolution voranzubringen. Schon von Anfang an war der Kinosound so konzipiert, dass nicht nur ausreichende Beschallung von vorne stattfand: Mehrere Kanäle vor die Frontseite, aber auch mindestens einen Kanal für den Klang von hinten gab es. Schon wie später bei Dolby Surround und Dolby Pro Logic Surround, war der hintere Kanal für die Wiedergabe von Effekten zuständig. Viele Kinosound-Systeme konnten den Effektkanal, wenn er nicht gebraucht wurde, mit Hilfe von Steuertönen ausschalten. Der Grund für diese Maßnahme lag in der sehr schmalen Tonspur des Effektkanals, die lautes Rauschen verursachte und somit den Hörgenuss empfindlich schmälerte.

In den sechziger und siebziger Jahren befand sich die Filmwirtschaft in einer Krise. Magnetstreifen-Formate waren exorbitant teuer, das hielt die Toningenieure aber nicht davon ab, die Effektwiedergabe zu verfeinern. Nächste Stufe war der 70 mm-Film mit sechs Magnetspuren, die auf allen Kanälen gleich hohe Signal-Rauschabstände boten. Dies hatte große Vorteile für den Effektkanal, denn dieser konnte nun ständig die Zuhörer mit Effekten von hinten versorgen, da das "Rauschproblem" der früheren Formate der Vergangenheit angehörte. Die Wiedergabe wurde insgesamt realistischer, räumlicher - der Effektkanal war nun fester Bestandteil eines realeren Filmerlebnisses und nicht nur ab und zu einsetzbares akustisches Mittel, um bei Einzeleffekten für Fuore zu sorgen. "Surround-Sound" wurde dieser Klang genannt, der Effektkanal mutierte zum "Surround-Kanal". Die an der Rückseite des Kinos angebrachten Lautsprecher wurden zahlreicher, und sie bekamen Gesellschaft von zahlreichen weiteren Boxen, die an den Seiten des Kinos platziert wurden. Somit wuchs durch die diffusere Schallverteilung der realistische Klangeindruck, da eine ungeheure räumliche Dichte zum einen den Zuschauer mitten ins Geschehen versetzte, zum anderen waren durch die ausgewogene Verteilung der Lautsprecher auch die ungünstig sitzenden Zuschauer nicht mehr so benachteiligt. Mitte der siebziger Jahre kam ein neues, von Dolby entwickeltes Tonsystem für den 35-Millimeter-Film ein. Ursprünglich hieß das neue Format Dolby Stereo, und es basierte nicht mehr auf einer Magnetstreifen-Aufzeichnung, sondern auf der Technik der optischen Tonspur. Neu war diese Technologie nicht: Schon seit den dreißiger Jahren benutzte man sie zur Speicherung des Mono-Filmtons. Ein Problem ergab sich beim neuen Format: Damit die Stereo-Filme auch in Kinos gezeigt werden konnten, die nur über die Möglichkeit der Mono-Wiedergabe verfügten, konnte dem neuen Stereo-Soundtrack nur genau der gleiche Platz zugebilligt werden, den zuvor die Monospur einnahm. Das war zunächst praktisch unmöglich, und es ergab sich das selbe Problem, das schon vom ersten Effektkanal her bekannt war: Die Tonspuren waren so schmal, dass lautes Rauschen den Filmspass zunichte machten. Keine Rauschminderung war in der Lage, das Problem in den Griff zu bekommen. Doch Probleme sind da, um gelöst zu werden, und Dolby ging sogar noch einen Schritt weiter: Wie schon bei den ersten Kino-Stereo-Experimenten aus den fünfziger Jahren wurde auch das neue System nicht als Zwei-, sondern als Vierkanalsystem ausgelegt. Zusätzlich zum linken und rechten Frontlautsprecher kam vorne noch ein Center-Lautsprecher, vor allem für die Stimmwiedergabe von großem Nutzen, und hinten ein Effektkanal für die Surroundboxen zum Einsatz. Problem war nur, dass diese ganze Tonvielfalt aus Platzgründen auf lediglich zwei physikalischen Tonspuren untergebracht werden konnte. Was also war zu tun? Etwas Gutes hatte das Quadrophonie-Experiment trotz seiner Glücklosigkeit auf dem Markt doch mit sich gebracht: Die Matrix-Technik, und sie bot sich nun an, ein neues Surround-Sound-System zum Leben zu erwecken: Beim neuen System codierten die Matrixtechniken die drei Frontkanäle und den Surroundkanal. 

Und dann griff noch ein gewisser Tomlinson Holman ins Geschehen ein. Holman, seines Zeichens Technischer Direktor bei Filmemacher George Lucas, der sich mit der ersten Star Wars-Trilogie einen Ruf für die Ewigkeit schuf, erhielt von seinem Chef den Auftrag, ein besonders gutes Soundsystem für eine hervorragende Filmwiedergabe in Kinos zu entwickeln. Holman machte sich an die Arbeit, und er fand wenig Freude am damaligen Equipment der Kinos. Kein Standard war zu erkennen, überall  setzten die Kinobetreiber andere Lautsprecher- und Verstärkersysteme, die natürlich auch andere akustische Eigenschaften aufwiesen, ein - der Ingenieur änderte dies und setzte in einigen Kinos seine selbst entwickelten, einheitlich nach genauen Richtlinien abstrahlenden Lautsprecher ein. Dazu entwickelte er eine aktive Frequenzweiche, und diese ist nach ihm benannt worden: Tomlinson Holman Crossover, wobei, gemäß der amerikanischen Vorstellung in bezug auf die Vereinfachung der Sprache, das "Cross" durch ein "X" ersetzt wurde: So entstand die griffige Abkürzung THX. 1984 stand THX dann für "Tomlinson Holman eXperiments". George Lucas war mit der Abkürzung "THX" sehr zufrieden, schließlich hieß sein erster Kinofilm "THX 1138", und dieser handelte von einem Menschen, der in einer sterilen Zukunftswelt lebt. THX wurde weltweit zu einem Qualitätsstandard für sehr guten Kinoklang. Um gleichbleibende Qualität zu sichern, reisten THX-Techniker um die ganze Welt, um einmal pro Jahr die Einhaltung der THX-Kriterien in den THX-Kinos zu überprüfen. Es entwickelte sich eine enge Zusammenarbeit mit Dolby, so dass Neuerungen der Dolby Surround-Systeme auch weitere Evolutionsstufen beim THX-Equipment mit sich brachten.

Die schwierigen Anfänge von Sound & Vision "at home"

Schon in den 30er Jahren gab es Experimente der Bell-Laboratorien zum Stereo-Klang. Die Bell-Wissenschaftler experimentierten mit drei Kanälen. Es dauerte aber noch eine geraume Zeit, bis die Stereotechnik in die heimischen Wohnzimmer einziehen konnte, und man schrieb das Jahr 1958, als es endlich soweit war. Und der getriebene Aufwand war im Vergleich zur Kinotechnik ein geringerer: Denn während im Kino mit vier Kanälen gearbeitet wurde, reichten für die Beschallung des heimischen Wohnzimmers zwei Kanäle aus. Grund war in erster Linie, dass die Plattenspieler zur damaligen Zeit sich nur an ein Zweikanalsystem anpassen ließen. 

Die Stereo-Wiedergabe begann ihren Siegeszug im privaten Haushalt - da wollten auch die Rundfunksender nicht zurückstehen und führten einige Jahre später Rundfunkprogramme ein, die in Stereo-Qualität ausgestrahlt wurden. Nachdem sich Zweikanal-Stereo auf breiter Front durchgesetzt hatte, suchten die Toningenieure nach Steigerungsmöglichkeiten. Das erste Unternehmen mit dieser Zielsetzung hatte keinen durchschlagenden Erfolg: In den siebziger Jahren landete das Konzept der quadrophonischen Klangwiedergabe, bei der zusätzlich zu den zwei Frontboxen noch zwei Lautsprecher in den hinteren Ecken des Hörraums zum Einsatz kamen, einen Flop. Der speziell dafür codierte Software, bei der man im Signal der Hauptkanäle zusätzliche Toninformationen für das hintere Lautsprecherpaar transportierte, indem man sie in einer anderen Phasenlage aufzeichnete und dann mit Hilfe von Matrix-Schaltungen den hinteren Boxen zugänglich machte, war ebenfalls der Erfolg verwehrt. Ein Grund, die Quadrophonie sich nie richtig durchzusetzen vermochte, hat auch bei der DVD für ausreichend Verwirrung gesorgt: Wie bei der DVD, bei der die verschiedenen Tonformate Dolby Digital und MPEG-2 Audio für anfängliche Verwirrung sorgten, später kam dann noch DTS hinzu, so gab es auch damals in den siebziger Jahren verschiedene Codierschemata, so dass man rasch den Überblick verlor. Zu allem Überfluss waren die Encodier- und Decodiersysteme völlig inkompatibel zueinander. 

In den frühen siebziger Jahren brach eine neue Ära der visuellen Wiedergabemöglichkeiten für zuhause an: Die ersten Videorecorder für den "Heimgebrauch" kamen auf den Markt. Zwar waren schon in den 50er Jahren Videorecorder entwickelt worden, diese Geräte setzten sich aber nicht auf breiter Front durch. Nun änderte sich das: Zunächst propagiert als Möglichkeit für das zeitversetzte Sehen von Fernsehsendungen, entdeckte man schon sehr bald eine weitere Möglichkeit zur Nutzung: Mit dem Videorecorder fanden auf Videobändern abgelegte Kinofilme des Weg ins heimische Wohnzimmer - Hollywood nahm mit seinen Filmproduktionen Einzug in die eigenen vier Wände. Die Konsumenten konnten gar nicht genug bekommen von Film-Videokassetten, die Industrie boomte, und neue Vermarktungswege wie der Verleih von Videokassetten über Videoverleihe begannen, sich einzubürgern. In den achtziger Jahren dann bekamen immer mehr Haushalte Kabelfernsehen und damit eine bislang nicht gekannte Programmvielfalt. Die öffentlich-rechtlichen Programmanbieter waren nicht mehr alleine, immer mehr neue Privatsender begannen, ihren Betrieb aufzunehmen. Viele Fernsehzuschauer werden die achtziger Jahre auch als Beginn der Werbepausen-Ära in ihrem Gedächtnis vermerkt haben. Der Videorecorder war aus vielen Haushalten nicht mehr wegzudenken, vor allem als sich das Videosystem VHS gegen die Konkurrenten Beta (heute noch im Profibereich anzutreffen) und Video 2000 (mit drehbarer Videokassette) durchgesetzt hatte.

Doch der Klang kam lange Zeit noch zu kurz. Die Fernseher gaben sehr oft nur Mono-Ton wieder, und die Fernsehsender strahlten überwiegend in Mono aus. Erst langsam bürgerte es sich ein, Kinofilme, die im Abendprogramm gezeigt und als besonderes Programmhighlight angekündigt wurden, in Stereo auszustrahlen. Ebenso verhielt es sich mit den Videorecordern. Zwar gab es schon seit 1978 die Stereo-Videokassette (zunächst auf Basis der Längsspur-Aufzeichnung, später in HiFi-Qualität), aber die breite Masse gab sich mit monauralen Klängen für Fernseh- und Videowiedergabe zufrieden. Wer sich zurückerinnert - sogar noch bis zum Ende der achtziger und zum Beginn der neunziger Jahre waren HiFi-Videorecorder ein kostspieliges Vergnügen. Trotzdem stand schon Ende der 70er/Anfang der 80er Jahre die nächste Revolution an: Mit der Entwicklung der Bildplatte/LaserDisc brachten Philips und Pioneer ein neues Medium an den Start. Die Hersteller von Fernsehgeräten begannen, ihre Produktreihe durch klanglich weitaus bessere Stereo-Geräte zu krönen, deren Verbreitung allerdings noch klein und deren Kaufpreise recht hoch waren. Der Nutzen von Stereofernsehern war auch trotz allem Fortschritt beschränkt, denn da die Lautsprecher in praktisch allen Fällen im Gehäuse des Fernsehers integriert waren, hielt sich der realisierbare Stereoeffekt in Grenzen.  Zu teuer - an diesem Problem krankte bis zum Schluss die LaserDisc - die LP-großen Scheiben boten zwar ein weitaus besseres Bild als ein Video-Tape, waren aber sündhaft teuer,  daher boten hierzulande nur wenige Firmen Laserdisc-Player an. Ganz anders in den USA, wo die Laserdisc zu einem großen Siegeszug antrat.

Surround fürs eigene Heimkino

Die Unterhaltungselektronik zuhause nahm einen immer weiter zunehmenden Stellenwert ein. Der Fernseher wurde so populär und als so elementar angesehen, dass er bei Wohnungspfändungen nicht mehr mitgepfändet werden durfte. Vom Luxusgut wurde er zu einer Selbstverständlichkeit wie Armbanduhr oder Radio. Mit der Zeit gab es auch mehr und mehr Stereo-Fernsehgeräte, und passend dazu, HiFi-Videorecorder. So überlegten die Toningenieure, ob es nicht an der Zeit wäre, die nächste Stufe in Punkto Klang für die eigenen vier Wände zu zünden. Neue Wiedergabemedien in Form von Audio-Kassetten und vor allem in Form der CD gab es bereits. Letztere verlieh dem Zweikanal-Stereoton eine neue Dimension der klanglichen Qualität (die Fans von Plattenspielern mögen an dieser Stelle verzeihen oder nicht hinhören). Aber im Mittelpunkt aller klanglichen Aktivitäten stand noch immer ein Tonformat der späten fünfziger Jahre: Zweikanal-Stereo. Wer großartigen Raumklang hören wollte, der musste ins Kino gehen - doch nicht mehr lange: Denn 1982 wurde Dolby Surround für zuhause eingeführt. Kinofilme und Soundtracks mit entsprechender Codierung brachten zumindest etwas Kino-Feeling nach Hause. Auch eine normale, zweikanalig aufgenommene CD konnte mit Surround-Sound wiedergegeben werden, denn die Matrix, die sich beim Abspielen von Dolby Surround-codierter Software automatisch aktivierte, konnte auch manuell eingeschaltet werden, somit wurden auch, wenn auch bescheidenen, Klanganteile einer normalen, zweikanalig aufgenommenen CD durch den Surroundkanal wiedergegeben, wenngleich das Ergebnis aufgrund der muffigen Gesamtcharakteristik so manchem Musikfreund die Tränen in die Augen trieb. Die Hardware-Industrie brachte Dolby Surround-Decoder auf den Markt, die die Decodierung des Surround-Kanals zusätzlich zum rechten und linken Frontkanal erlaubten. 1987 erschien Dolby Surround Pro Logic, welches zusätzlich noch den Center-Kanal entschlüsselte und damit für eine noch realistischere Wiedergabe sorgte. 

Während anfänglich Heimkino noch für eine verhältnismäßig kleine Anzahl von Technik- und Filmliebhabern interessant war, kamen mit Einführung des Pro Logic-Systems mehr und mehr Interessenten für den Kinogenuss im eigenen Heim hinzu. Nachdem zunächst nur Decoder im Angebot waren, zog die Hardware-Industrie schnell nach, und Anfang der neunziger Jahre gab es schon ein ordentliches Angebot an Verstärkern und Receivern, die einen Pro-Logic-Decoder integriert hatten. Auch THX stellte mit Home THX 4.0 ein besonders anspruchsvolles System, welches auf Dolby Pro Logic basierte, für den "Hausgebrauch" vor. Damit etablierte sich THX auch im Heimkinobereich, strenge Auflagen bezüglich der Leistungsfähigkeit der Verstärker oder Receiver und des Abstrahlverhaltens der Lautsprecher sorgten für einen ähnlichen Effekt wie bei der Kinoausstattung: Die Geräte mit THX-Zertifikat erfüllten alle die hohen Ansprüche und waren untereinander kombinierbar, ähnlich verhielt es sich mit den Lautsprechern. Schon damals allerdings gab es ein Problem: So gut THX Lautsprecher auch für den Kinosound zuhause waren, für die Musikwiedergabe waren sie nur eingeschränkt einzusetzen, so dass der Heimkinoliebhaber, der auch Musikfreund war, noch ein weiteres nicht THX-System zur akkuraten Musikwiedergabe einsetzen musste. 

Digital-Surround

Die nächste Revolution kündigte sich wiederum im Kino an: Gegen Ende der achtziger Jahre entwickelte Dolby die digitale Tontechnik für den 35-Millimeter-Film. Die analogen Tonspuren sollten trotzdem erhalten bleiben, um eine Abwärtskompatibilität für die Kinos aufrecht zu erhalten, die nicht ins neue digitale Equipment investieren konnten oder wollten. Darum gab es eine neue Transportspur fürs neue Tonformat zwischen den Transportlöchern des Films. Als Kanalschema wurde 5.1 gewählt, nach Ansicht verschiedener Expertengruppen war dies für optimalen Hörgenuss im Kino die beste Kanalanordnung. 1992 kamen die ersten Dolby Digital-Filme in die Kinos, und 1993 wurde mit Stephen Spielbergs "Jurassic Park" der erste Kinofilm im neuen Format DTS (Digital Theatre Sound, ebenfalls mit 5.1 Kanälen) aus der Taufe gehoben. Zwei Jahre später fand das neue digitale Tonformat Dolby Digital den Weg ins Heimkino. Wer von Anfang an eine Heimkinoanlage mit Dolby Digital 5.1-Decoder und auch NTSC-Laserdiscs besaß, wird sich noch erinnern können, dass nicht die heute üblichen optischen und digitalen Eingänge benutzt wurden, sondern ein spezieller Dolby Digital-RF-Eingang stand am Decoder zur Verfügung. Noch heute besitzen besonders umfangreich ausgestattete AV-Receiver oder -Verstärker einen RF-Eingang. 1995 gab es erste Prototypen von DTS-Decodern für den Heimgebrauch. Als Medium für die ersten Dolby Digital-Filme für zuhause wurde die NTSC-Laserdisc benutzt, für DTS-Sound sollte eine CD und ein herkömmlicher CD-Player mit optischem Digitalausgang neben dem obligatorischen DTS-Decoder reichen. Das Neue an den 5.1-Soundsystemen war, dass beide Surroundkanäle, genau wie die linke und die rechte Frontbox und der Center, jeweils von einem eigenen Kanal versorgt wurden - diskret, wie der Fachmann sagt, ohne den Einsatz einer Matrix. Genau wie die Frontkanäle übertragen auch die Effektkanäle nun - im Gegensatz zu Dolby Pro Logic - das volle Frequenzspektrum von 20 Hz bis 20 kHz.

Damit mussten viele Heimkinoanlagen umgerüstet werden, denn während für Dolby Surround Pro Logic noch weniger hochwertige Surroundlautsprecher für die Übertragung des akustisch wenig anspruchsvollen monauralen Surroundsignals verwendet werden konnten, mussten nun auch für den hinteren Bereich hochwertige Vollbereichslautsprecher her. Auch die Bässe wurden nicht stiefmütterlich behandelt: Die .1 hinter der 5 steht für den eigenen LFE (Low Frequency Effect)-Kanal. Der LFE-Kanal überträgt nur die im Frequenzspektrum extrem tief angeordneten Bassfrequenzen zwischen 20 und 120 Hz (hinzu kommen noch +10 dB Pegelanhebung bei der Wiedergabe) im Falle Dolby Digital. Um diese Frequenzen optimal zur Geltung zu bringen, ist der Einsatz eines aktiver Subwoofers vorgesehen. Dem aktiven  Subwoofer kommen somit prinzipiell zwei Aufgaben zu: Wiedergabe der tieffrequenten Klanganteile der Hauptlautsprecher (bei entsprechender Hauptlautsprechereinstellung im Setup des AV-Verstärkers) und Wiedergabe der separat auf dem Soundtrack enthaltenen LFE-Signale. Beim Einsatz eines aktiven Subwoofers bekommt dieser die im Decoder zusammengeführten Signalanteile zugeführt. Alternativ können die LFE-Signale auch an die Frontlautsprecher, sind diese entsprechend potent, umgeleitet werden.  Das passende Wiedergabemedium für diskreten 5.1-Ton ließ nicht lange auf sich warten. Im Jahre 1996 wurde ein neues Kapitel in der Heimkino-Welt aufgeschlagen: In den USA und in Japan feierte die Digital Versatile Disc, kurz DVD, Premiere, die aufgrund ihrer enormen Speicherkapazität eine Revolution in Bild und Ton mit sich brachte. Dolby Digital wurde schnell zum tonalen Standard, DTS fand bei der ersten Generation der Hard- und Software noch keine Berücksichtigung. Wer noch einen DVD-Player der ersten Generation sein eigen nennt, wird sich noch erinnern können, dass der Aufdruck "DTS Out" noch nicht auf dem Player-Gehäuse zu finden war. Erst in der nächsten Generation wurde auch das zweite diskrete 5.1-System in das DVD-Universum integriert. Gar nicht erst richtig Fuß fassen konnte das von Sony und Philips als Konkurrenz zu Dolby Digital für den europäischen Markt entwickelte MPEG2-Multichannel, ebenfalls ein 5.1-System. Ursprünglich sollte MPEG-2 Multichannel der Mehrkanal-Tonstandard für europäische DVDs werden - so wollte es die Industrie. Die DVD-Player mit integriertem Decoder und die Verstärker/Receiver der ersten und teilweise zweiten Generation decodierten das Format zwar noch mit, aber den Kampf entschied Dolby Digital durch technischen K.O. schon in einer frühen Runde: In verschiedenen Vergleichstests schnitt das Dolby-System akustisch besser ab, die MPEG2-Multichannel-Decoder arbeiteten ganz knapp vor der Markteinführung der ersten europäischen DVDs Gerüchten zufolge nicht immer mit zufrieden stellender Zuverlässigkeit, dazu war Dolby Digital 5.1 in den USA schon weit verbreitet - schließlich stand der Name Dolby für qualitativ hochwertigen Surround-Sound und große technologische Erfahrung. Auch George Lucas' Firma THX passte das Equipment den technischen Neuerungen an: THX 5.1 kam sowohl im Kino als auch als Home THX 5.1 für den Heimgebrauch zum Einsatz, durch die damals noch traditionelle Zusammenarbeit mit Dolby ausschließlich für Dolby Digital-codierte Filme.

War ein 5.1-System bis vor kurzer Zeit noch "State of the Art", so gibt es seit einiger Zeit wieder klangliche Verbesserungen für das Heimkino. Nachdem mit "Star Wars - The Phanom Menace" 1999 der erste Kinofilm in Dolby Digital 5.1 EX durchgestartet war, ist die Weiterentwicklung von Dolby Digital nun auch für den "Hausgebrauch" erhältlich: Ein zusätzlicher "Back Surround"-Lautsprecher wird hinter dem Zuhörer aufgestellt. Bis vor kurzem war hier THX durch die Zusammenarbeit mit Dolby für die Verbreitung im Heimkino zuständig.  Zwar gab es auch von den Hardware-Herstellern selbst entwickelte Lösungen für die Back Surround Matrix, hier dufte man aber nur sagen: "Dieses Gerät kann Dolby Digital EX-codiertes Material wiedergeben". Erst seit kurzem gibt es Dolby Digital EX unabhängig von THX Surround EX auch für zuhause. THX ging bei Surround EX sogar noch einen Schritt weiter und entwickelte fürs Heimkino ein 7.1-System, wobei es auch hier nur einen Back Surround Channel gibt, dessen Signal aber an zwei  Back Surround Lautsprecher verteilt wird, was die Klangqualität optimieren soll. Das neue Extended Surround-System ist aber in diesem Fall kein völlig diskret aufgebautes, denn der Rear Surround Center wird aus einer Matrix versorgt. Das Signal für den Rear Surround Center ist im Dolby Digital-Bitstream für die beiden Surround links/rechts Kanäle versteckt, für den Rear Surround Center wird das Signal dann durch eine Matrix gezogen. Damit ist auch die Abwärtskompatibilität gewährleistet: Denn EX-codierte Filme laufen auch auf herkömmlichen 5.1-Anlagen.
DTS wollte da natürlich nicht zurückstehen und entwickelte ein ähnliches, matrix-basiertes System ,was den Toningenieuren allerdings noch nicht gut genug war: Sie setzten noch eins drauf, und das Ergebnis heißt DTS ES Discrete 6.1 - also ein zusätzlicher, vollkommen diskreter Kanal. Die ersten Geräte und die ersten DVDs mit dieser Tonnorm sind seit September 2000 erhältlich. Doch die Technik schreitet unaufhaltsam voran: THX bietet seit diesem Jahr mit THX Ultra II auch die Möglichkeit an, 5.1 codiertes Material, ganz gleich, ob DTS- oder Dolby Digital-codiert, optimal an eine 7.1 Extended Surround-Anlage anzupassen. Sogar Musik-DVDs: Mit dem THX Ultra II "Music Mode" betrat George Lucas' Firma Neuland. Ebenfalls ist die Zusammenarbeit zwischen THX und Dolby nicht mehr exklusiv: Auch die Konkurrenz-Tonnorm von DTS wird entsprechend in die THX-Nachbearbeitung einbezogen: Seit kurzem wird auch der diskrete Back Surround Kanal von DTS ES Discrete 6.1 THX-gerecht nachbearbeitet.

Wer herkömmliches Material, das in Dolby ProLogic I oder in Stereo codiert ist, klanglich auffrischen möchte, hat seit kurzem mit Dolby ProLogic II dazu die Möglichkeit. Akustisch ist dies ein großer Schritt nach vorn, dazu bietet PLII auch eine Aufteilung in einen "Movie" und einen "Music" Modus. Die Konkurrenz von DTS brachte bereits 2000 mit NEO:6 ein ähnliches System auf den Markt, doch wie so oft ist das Bessere des Guten Feind: Mit mehr unnatürlichem Hall und einer geringeren Präzision ist NEO:6 inzwischen überholt. Besonders gut will dem von Lexicon entwickelten "Logic 7" die Surround-Aufbereitung gelingen, daher setzt Harman Kardon in allen AV-Receivern des Hauses dieses effektive System ein. 

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21. Mai 2002

Autor: Carsten Rampacher