ARD und ZDF lehnen "Grundverschlüsselung" via Satellit ab
21.06.2006 (ks)
Der Vorsitzende der ARD, Thomas Gruber und ZDF-Intendant Markus Schächter
erteilen in einem gemeinsamen Positionspapier der geplanten "Grundverschlüsselung" durch den Satelliten-Betreiber SES-Astra eine klare Absage.
SES-Astra hatte im Februar 2006 angekündigt, ab nächstem Jahr die privaten
TV-Programme Programme nur noch "grundverschlüsselt" digital per Satellit auszustrahlen.
Mit ihrer Stellungnahme an die Rundfunkkommission der Länder wollen ARD und ZDF
aufzeigen, dass diese "Grundverschlüsselung" ein
Etikettenschwindel sei. Letztlich, so Schächter und Gruber, gehe es um nichts anderes, als den Einstieg in weit reichende Pay-TV Angebote
vorzubereiten. Damit würde der von allen gewünschten Digitalisierung des Fernsehens in Deutschland ein schlechter Dienst erwiesen. ARD und
ZDF hoffen, mit ihren Argumenten und Fakten gegen jedwede Art von Verschlüsselung des Free-TV die Diskussion auf eine breitere Basis
stellen zu können.
Mit folgenden Argumenten setzen sich ARD und ZDF gegen die
"Grundverschlüsselung" ein:
- Der Begriff "Grundverschlüsselung" ist Etikettenschwindel: Es geht
nicht um die Förderung der Digitalisierung oder um eine technische
Maßnahme, sondern um den Einstieg in die Entwicklung kommerzieller
pay-Geschäftsmodelle.
- Mit der "Grundverschlüsselung" droht eine digitale Spaltung der
Bevölkerung. Das deutsche Mediensystem mit seinem breiten und
vielfältigen free-tv-Angebot würde grundlegend verändert.
- Die "Grundverschlüsselung" ist nicht zum Schutz vor Piraterie
erforderlich. Urheberrechtliche Vorschriften eröffnen gerade die
Möglichkeit zur grenzüberschreitenden Verbreitung von Rundfunk.
Gebietsabschottungen widersprechen grundlegenden europäischen
Prinzipien.
- Die "Grundverschlüsselung" bürdet jedem Zuschauer die Kosten einer
für die Nutzung von pay-tv-Angeboten notwendigen Infrastruktur
zwangsweise auf.
- Die Adressierbarkeit der Endgeräte wirft erhebliche u. a.
datenschutzrechtliche Risiken auf (Steuerung des Verbrauchers und
Überwachung seines Verhaltens).
- Die Freischaltung von free-tv-Angeboten beweist, dass eine
"Grundverschlüsselung" nicht notwendig ist. Schon heute können
digitale Entgeltangebote individuell adressiert und abgerechnet
werden.
- Auch in unseren Nachbarstaaten gibt es keineswegs eine
"Grundverschlüsselung" von free-tv gegen gesondertes monatliches
Entgelt. Dessen ungeachtet ist die Situation in anderen europäischen
Staaten nicht mit der deutschen vergleichbar.
- Dem Jugendschutz kommt bei der "Grundverschlüsselung" nur eine
Alibi- Funktion zu: Alles, was technisch und programmlich möglich
ist, soll nutzbar werden, ohne dass zuverlässig verhindert werden
könnte, dass Minderjährige Zugang zu sie gefährdenden Inhalten haben.
- Die "Grundverschlüsselung" hemmt Ausbau und Nutzung aller
digitalen Verbreitungswege. Die Einführung einer Verschlüsselung
begünstigt nicht die Einführung neuer Entwicklungen, sondern neuer
Geschäftsmodelle.
- Die "Grundverschlüsselung" ist auch unter wettbewerbsrechtlichen
Aspekten bedenklich: Es sollen technische Standards durchgesetzt
werden, ohne dass die Spezifikation nachvollziehbar ist.
Decoderhersteller werden behindert, kleinere Sender diskriminiert.
- Die "Grundverschlüsselung" zielt auf eine Marktabschottung und
schafft Abhängigkeiten sowohl der Endgerätehersteller als auch nicht
beteiligter Programmanbieter.
- Die "Grundverschlüsselung" ist nicht erforderlich, um
Investitionen zu finanzieren.
- Der Verweis auf Entgeltmodelle im Bereich der
Kabelweiterverbreitung sowie über DSL verfängt nicht.
- Die "Grundverschlüsselung" würde der Medienkonzentration aufgrund
der zunehmenden vertikalen Integration der Beteiligten weiter
Vorschub leisten.
- Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss für jeden frei, ohne
zusätzlichen wirtschaftlichen oder technischen Aufwand empfangbar
sein. Er kann daher weder auf eine verschlüsselte Verbreitung noch
auf verbleibende Verbreitungswege verwiesen werden.